Historisches Stichwort: Die Befreiung von Eichenau vor 75 Jahren

26. April 2020

Im März 1945 waren die amerikanischen und britischen Truppen über den Rhein bis weit in die Mitte des Reiches vorangekommen. Im April und mithin nachdem die Rote Armee in breiter Front die Oder überschritten und die Stadtgrenzen von Berlin erreicht hatte, war auch dem gläubigsten Zuhörer aller Durchhalteparolen die verdiente Niederlage des Nazireiches offenkundig.

Zehntausenden Offizieren, Bürgermeistern, Betriebsleitern, Behördenchefs und Pfarrern stellte sich nun die unerhört verantwortungsvolle Aufgabe, vor Ort den vollkommen sinnlosen Abwehrkampf von Wehrmacht und Waffen-SS und damit die weitere Vernichtung von Wohnungen, Fabriken, Bergwerken, Infrastruktur und vor allem von Menschenleben zu verhindern. Freilich war solcher Widerstand mindestens genauso lebensgefährlich wie der Kampf von Hitlerjungen und Volkssturmrentnern gegen amerikanische und sowjetische Panzer. Terrortrupps von Feldgendarmerie und SS waren im ganzen schwindenden deutschen Machtbereich unterwegs und ermordeten Soldaten und Zivilisten, die sich dem kollektiven nationalen Selbstmord verweigerten, den die Nazis und allen voran Adolf Hitler dem deutschen Volk befohlen hatten. Die Blutspur dieser Verbrechen quer durch Oberbayern von Altötting über München bis Penzberg war breit.

Endsieg an der Amper? In unserer Region war klar, dass die an der Atlantikküste und am Rhein nicht aufgehaltenen US-Verbände auch nicht an der Donau, am Lech oder gar an der Amper gestoppt werden würden. Der im November 1944 einberufene Eichenauer Volkssturm musste in den letzten Apriltagen Panzersperren am Waldrand nahe der heutigen B 2 errichten. Am 28. April 1945 forderte die militärische Widerstandsgruppe „Freiheits-Aktion Bayern“ (FAB) über einen von ihr kurzfristig in Besitz genommenen Rundfunksender zur Absetzung und Entwaffnung von Nazi-Fanatikern auf. Daraufhin versammelte sich eine Handvoll Eichenauer vor dem Gebäude der heutigen Josef-Dering-Schule und forderte vom Kompanieführer des Volkssturms und vom Leiter des Gutes Roggenstein die Herausgabe ihrer Waffen. Nach Rundfunkberichten über die Niederschlagung der FAB gewannen der Nazi-Bürgermeister Gustav Eberth und seine Gefolgsleute wieder Oberwasser. Sie beschlossen für den Folgetag die Verhaftung von Max Eisenknöppel (einer der Gründer der Eichenauer SPD und Gemeinderat vor 1933), Josef Glas, Wilhelm Pittoni, Michael Urban, Ludwig Stöckl und Andreas Ettengruber. Eine solche Verhaftung wäre unter den oben beschriebenen Bedingungen ein Todesurteil gewesen und konnte glücklicherweise nicht mehr durchgesetzt werden. Der Volkssturmführer Lehrer Leitl war mutig genug, seine Männer nach Hause zu schicken. In der Nacht von 29. auf 30. April rollten die US-Panzer von Fürstenfeldbruck an Eichenau vorbei widerstandslos in Richtung Puchheim und München. Die in Eichenau postierte Wehrmacht zog sich in derselben Nacht zurück.

Eichenau ist frei

Am 30. April, an dem Hitler in Berlin seinem verfehlten Leben ein Ende setzte und an dem die Amerikaner nicht weit von hier das KZ Dachau befreiten, setzten Max Eisenköppel und Franz Riedl den Bürgermeister Gustav Eberth und den Nazifunktionär Hermann Rühl fest.

Die Nazizeit war für Eichenau vorbei!

Um 13 Uhr am gleichen Tag rückten amerikanische Sicherungsabteilungen kampflos in Eichenau ein. Zusammen mit dem im Ort untergebrachten französischen Kriegsgefangenen wurde eine Notpolizei gebildet, die die Waffen der Bewohner einsammelte. Auf Vorschlag des Eichenauer Bürgerkomitees der FAB setzten die Amerikaner am 2. Mai Hans Wirner als Bürgermeister ein. 35 Jahre später wurde ihm auf Antrag der SPD die Straße am S-Bahn-Parkplatz gewidmet.

Andreas Knipping

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